70 Mülheimer gespannt auf Historiker Professor Kampmann

19. März 2019 – Vortrag zum Tersteegen-Gedenkjahr 2019 liefert spannende Einsichten in die Zeit des Mystikers Gerhard Tersteegen

von  Dr. Thomas Emons / Lokalkompass Mülheim an der Ruhr

„Wer kann schon im Exil sagen: Ich sehe meine Heimat“, freut sich der Vorsitzende des Fördervereins für das zurzeit noch eingerüstete und auf seine Restaurierung wartende

Den lebendigen und engagierten Vortrag verfolgten viele Mülheimer

Tersteegenhaus, Markus Püll. 70 interessierte Mülheimer sind jetzt der Einladung des Förderkreises ins benachbarte Petrikirchenhaus gefolgt, um mit dem in Mülheim aufgewachsenen Historiker Christoph Kampmann in die Lebenszeit des vor 250 Jahren in seinem Haus an der Teinerstraße gestorbenen Menschenfreundes, Predigers und Poeten zurückzuschauen.

Historiker Professor Kampmann: Der gebürtige Mülheimer beleuchtete mit interessanten Details die Lebenszeit Tersteegens

Sie hören einen lebendigen und engagierten Vortrag, der ihnen zeigt wie aktuell Tersteegens auf religiöse Toleranz und christliche Nächstenliebe ausgerichtetes Denken auch zweieinhalb Jahrhunderte nach seinem Tod ist. Christoph Kampmann, der mit dem Geschäftsführer des Freundes- und Förderkreises Tersteegenhaus, Hansgeorg Schiemer, Geschichte studiert hat und heute als Professor an der Marburger Philipps-Universität lehrt, zeigt: Tersteegens Wirken war im 18. Jahrhundert auch deshalb möglich, weil das Herzogtum Berg, zu dem auch die Herrschaft Broich gehörte, eine der wenigen multikonfessionellen Territorien im damaligen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation war, in dem die Landesherren nicht auch die Konfession ihrer Untertanen bestimmten.

Blick ins Publikum: Volles Haus und ein Höhepunkt der Veranstaltungen zum Tersteegenjahr 2019

„Diese keineswegs konfliktfreie Erfahrung religiöser Toleranz hat den Menschen an der Ruhr auch später während der Industrialisierung geholfen, Menschen unterschiedlicher Konfessionen zu integrieren“, erklärte Kampmann. Er wies darauf hin, dass viele andere Regionen Deutschlands, abseits der Metropolen, diese Erfahrung erst nach dem Zweiten Weltkrieg schrittweise nachholen mussten.

Tersteegen-Biograph Professor Ulrich Kellermann ergänzte mit Anekdoten und Hinweisen den Vortrag

Spannend war es auch von der Denkschrift Tersteegens zu hören, mit der der Mülheimer Mystiker an den atheistischen Preußen-König Friedrich II. appellierte, seine Kriegspolitik aufzugeben und sich zum christlichen Glauben an die Unsterblichkeit der menschlichen Seele zu bekehren. Dass Tersteegen Friedrichs Einladung zu einem Gespräch ablehnte, erklärte Tersteegen-Biograf Professor Dr. Ulrich Kellermann mit Tersteegens begrenzten Französisch-Kenntnissen, mit denen er sich einem Dialog mit dem Französisch sprechenden Preußen-König nicht gewachsen gesehen habe.

Bilder: Dr. Thomas Emons

 

 

 


Wer war Gerhard Tersteegen?

von  Dr. Thomas Emons

  • 1697 Er wird 25. November als Sohn einer Kaufmannsfamilie in Moers geboren, wo er die Lateinschule besucht
  • 1713 Nach dem Tod seines Vaters muss er die Lateinschule verlassen und bei seinem Mülheimer Schwager in die Kaufmannslehre gehen. Später verdient der stets kränkelnde Tersteegen seinen Lebensunterhalt als Band- und Seidenweber
  • 1724 Nach einem Erweckungserlebnis verschreibt er sich und sein Leben in Form eines Blutsbriefes Jesus Christus.
  • 1729 Mit dem „Geistlichen Blumengärtlein“ erscheint Tersteegens Gedicht: „Ich bete an die Macht der Liebe“, das neben seinem Gedicht „Gott ist gegenwärtig“ später konfessionsübergreifend Teil des christlichen Kirchenliedgutes wird. In diesem Jahr gibt Tersteegen seinen Handwerksberuf auf und beginnt mit Hilfe seiner Förderer sein geistliches Wirken als Dichter, Prediger und Menschenfreund. Er organisiert Armenspeisungen und eignet sich heilpraktische Kenntnisse an, um auch Kranken helfen zu können. Sein elterliches Erbe stiftet er

    Postkarten-Motiv Ruhrperle Tersteegenhaus

    den Armen.

  • 1746 Er bezieht das Haus an der Teinerstraße, das wir seit 1950 als Mülheimer Heimatmuseum kennen.
  • 1769 Am 3. April stirbt Gerhard Tersteegen und wird am 6. April auf dem Kirchhof der Petrikirche beigesetzt.
  • 1775 Gegen Tersteegens Willen veröffentlichen seine Anhänger eine erste Biografie
  • 1838 Tersteegens Anhänger stiften einen Gedenkstein, der an der Petrikirche aufgestellt wird
  • 1903 Im Witthausbusch, in dem Tersteegen oft Ruhe suchte und fand, setzen seine Anhänger ihm einen weiteren Gedenkstein mit seiner weltberühmten Gedichtzeile: „Ich bete an die Macht der Liebe.“
  • 2011 Gründung des Vereins der Freunde und Förderer des Heimatmuseums Tersteegenhaus
  • 2017 Das baufällige Tersteegenhaus muss eingerüstet und restauriert werden
  • 2019 Am Tersteegens 250. Todestag wird der restaurierte Tersteegen-Gedenkstein aus dem Jahr 1838 auf dem Pastor-Barnstein-Platz aufgestellt. Der Mülheimer Theologe Ulrich Kellermann veröffentlicht eine neue Tersteegen-Biografie.

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